Die Versuchung
Die rot-weissen Bändel sind desinfiziert und markieren die Posten des 1. Wintertrainings im mystischen Tannhubel. Das Laub ist gefallen und dämpft zusätzlich den ohnehin schon mit Moos bewachsenen Boden zu einem unübertrefflich weichen Laufgefühl.
„Mit Speck fängt man die Mäuse“ mag sich Hämpu gedacht haben, als er uns letzte Woche mit einem richtigen Werbespot den Start zu den Wintertrainings ankündete. Weiches Laufgefühl! Tönt nach einer bestenfalls halbbatzigen OL-Saison in der Tat verlockend. Im Zeitalter von Fake News aber auch irgendwie verdächtig. Subito raus in den Wald zum Fakten-Check, heisst die Devise – und unter erschwerten Bedingungen, versteht sich. Denn was ist schon der Tannhubel am Tag? Erst in der Nacht zeigt sich, wer die Richtung halten und elegant zwischen den Dickichten durchsurfen kann. Und wie sich ein Softrun so anfühlt!
Der Rapport
Die Lampe ist geladen. Für eine gute Stunde
sollte das locker reichen. Zur Sicherheit noch ein Mini-Taschenlämpli in den
Sack. Der Mond ist nur halb sichtbar, es ist stockdunkel. Lampe an, Karte
drehen, Blick auf den Kompass – los geht’s in die erste Moosfläche!
Sauber Richtung halten schon zu Posten 1. Rechts ums Grün herum, aha, bereits
die Wegspur. Kopf drehen, voilà, da ist der erste Bändel. Weiter, Dickichtecke,
dann nach hinten übers Moos in die mit Hilfskurve gezeichnete Fläche. Jawohl,
die Kuppe, geht doch. Zu drei rechts durch die Schneise und auf der Wegspur von
hinten zum Posten. Clever! Der Geländekante entlang zu vier, easy. Oder doch
nicht? Zu viel Höhe verloren, da ist ja schon den Waldrand. Shit! Immerhin
schnell reagiert. Zu fünf sauber die Wegli ausnützen, dann Konzentration und ja
keinen administrativen Fehler! Auch von funkelnden Rehaugen oder leuchtenden
Leitpfosten (da findet man die March auch des Nachts…) nicht drausbringen
lassen. Nach fünf kommt sechs. Yes, auch die Eulen finden das super! Zu sieben
rechts auf den Wegli umlaufen. Bei der zweiten Abzweigung kurz links, rechts
und dann reinschneiden. Gut! Sofort weiter. Eeeehm, bin ich jetzt zu weit links
oder rechts? Einfach mal weiter, aber da hinten hat’s eine Holzbeige, ist wohl
schon der Weg hinter dem Posten. Kurz retour, jawohl da ist die Kuppe am Grün
und jetzt noch ein paar Schritte weiter. Kopf drehen, etwas rumzünden. Endlich,
im Loch liegt der Bändel am Boden. Booah, beim nächsten Mal laufe ich einfach
zur Holzbeige. Jetzt eine kleine Schlaufe, aber mehrheitlich etwas heikle
Postenstandorte. Neun geht gut, wirklich ein herrliches und weiches Laufgefühl!
Zu zehn einfach zwischen den beiden Grün hindurch. Gopf, schon wieder, ich stehe
plötzlich am Waldrand. Die Eulen lachen mich aus…Dann halt weiter und etwas
später einfach reinziehen. Okay, wäre nicht nötig gewesen. Posten 11, Senke im
Grün. Kenne ich, aber in der Nacht und ohne Reflektoren ziemlich Bingo. Genau,
zwei Mal mit der Lampe in eine falsche Richtung gezündet. Dann aber, zack, rein
in die Senke. 12 und 13: Viel Weg und die memorierte Holzbeige, fast schon
geschenkt! Jetzt geht’s Richtung Steinbachweiher-Täli, Richtung halten reicht.
Herrlich! Sprung auf den Weg, runter ins Tal und den Weg auf der anderen Seite
wieder hoch. Rein zu 14 ins Herz der Tannhubel-Mooslandschaft. Das grüne Moos
wirkt im Schein der Lampe fast silbrig. Mystisch, Hämpu hat nicht übertrieben!
Rechts entlang der Umzäunung und vorbei an den diversen Holz-Kunstwerken. Von
den weichen und schnellen Wegli profitieren und am Schluss hinauf auf den Hügel
zu 15. Nun ja, obsi ging’s auch schon schneller…Ab jetzt aufpassen, das Plateau
bei 16 und 17 hat es in sich. Ein sicherer Attackpoint lohnt sich, die erste
Kuppe kommt wie gewünscht. Zu 17 wird es unübersichtlich. Versuche es
tendenziell von rechts, aber sehe nur eine Kuppe ohne Bändel. F…! Das Gelb
kann ich in der Dunkelheit auch nicht sauber ausmachen und wie weit ich der
Geländekante gefolgt bin, weiss ich auch nicht mehr. Also raus auf den Weg und
neu einfädeln. Mist, bin schon viel zu weit östlich. Geholzt haben sie auch
noch. Da soll einer drauskommen! Also wieder rein und siehe da, da war ich doch
vor gut drei Minuten auch schon mal. Sa… perk…! Warum kommen mir immer
finnische Flüche in den Sinn? Fehlt eigentlich nur noch ein schöner Sumpf oder
eine geile Felsplatte…Item, weiter zu 18. Auch von dieser Seite her ein Bijou.
Zu 19 dem Wall folgen. Auch hier hat es wieder so doofe reflektierende
Leitpfosten. Bin doch nicht auf einer Hauptstrasse! Kurz auf den Weg und dann
ab Wegkurve wieder auf dem Strich reinfedern bis ins unübersichtliche
Fuchsbaugebiet. Schön, der Bändel ist dort, wo erwartet. Zum nächsten Posten
ein unnötiger Richtungsfehler – ich werde müde…Jetzt zusammenreissen und
konzentrieren. Wegli Richtung 21 sauber erwischt, aber was flackert da? Waren
das ein Paar Rehaugen? Ich bin irritiert – es ist die Lampe! Hinauf auf die Geländekante,
das Loch ist aber nicht wirklich gross. Schön im gut belaufbaren Hang bleiben
und erst spät runterstechen zu 22, das ist der Plan. Per…, das volle Licht ist
weg! Nothalt, Blick auf die Uhr. Ja, eine Stunde ist fast um. Selber schuld, du
warst schlicht zu langsam! Dann halt Versuch mit halber Power. Ist aber
wirklich sehr schwach, es reicht nur noch knapp zum Erspähen der Kuppe. Ja, da
ist auch der Bändel. Aber so geht’s nicht mehr weiter. Wenn das Licht auf den
nächsten zwei Posten ganz ausgeht? Dann trotz Moosboden und
Kartenlese-Taschenlämpli gute Nacht! Genau, die Nacht verbringe ich dann doch
lieber zuhause.
Also Sicherheitsvariante: Zurück von 22 auf den Weg, raus an den Waldrand und auf der Teerstrasse zurück zum Auto. Die Eulen finden das auch gut. Zum Glück kommt gerade kein Auto. Unbequeme Fragen brauche ich so keine zu beantworten. Dafür weiss ich jetzt nicht, ob mir jemand geglaubt hätte, wenn ich weder mit dem Hund spazieren noch Pilze suchen gegangen wäre, sondern auf meinem Softrun einfach das unübertrefflich weiche Laufgefühl gesucht und gefunden hätte!
Das Fazit
Hämpu hat nicht übertrieben. Das Laufgefühl im nächtlichen Tannhubel ist himmlisch; Roviva, Riposa und Konsorten können glatt einpacken. Stattdessen empfehle ich ab sofort Federn mit Hämpu!
Fritz